1.6 Kritik am Stabilitätsgesetz
Die Ziele des Stabilitätsgesetzes als Richtschnur für politisches Handeln stoßen in letzter Zeit immer häufiger auf Kritik.
Die Zielvorstellungen aus den sechziger Jahren können die realen Probleme der heutigen Zeit immer weniger berücksichtigen.
Zunehmend mehren sich die Stimmen, die nach einer Neuformulierung der Ziele rufen.
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Der Konjunkturrat ist bei der Bundesregierung gebildet. Seine Mitglieder sind der Bundesminister für Wirtschaft, der Bundesminister für Finanzen, je ein Ländervertreter, vier Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie mit beratender Funktion ein Vertreter der Deutschen Bundesbank. Der Konjunkturrat hat Beratungs- und Empfehlungs-, jedoch keine Entscheidungsbefugnis. Er berät bei allen konjunkturpolitischen Maßnahmen im Sinne des Stabilitätsgesetzes, bei der Möglichkeit der Deckung des Kreditbedarfs sowie insbesondere bei der Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklage.
Neben der Festschreibung der ökologischen Ziele, dem Schutz unserer Umwelt und der Schonung unserer Rohstoffressourcen, fordert man vor allem eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung und eine gerechte Verteilung der Arbeit.
Das magische Viereck wird zum magischen Vieleck.
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Bei der Einkommens- und Vermögensverteilung stellt sich jedoch die Frage, welche Verteilung als gerecht anzusehen ist:
  • manche verstehen unter Gerechtigkeit, dass jeder den gleichen Anteil am Sozialprodukt erhält.
  • andere hingegen finden es als gerecht, dass jeder soviel erhält, um seinen Bedarf decken zu können,
  • wieder andere finden es gerecht, dass jeder nach seiner Leistung, unabhängig von seinem individuellen Bedarf, entlohnt wird.
Betrachtet man die Einkommen der Unternehmer, der Arbeitnehmer, Rentner oder Arbeitslosen, so ergibt sich - wertneutral ausgedrückt - eine sehr unterschiedliche Einkommenssituation:
Die Familien der Selbständigen haben ein drei Mal so hohes Jahreseinkommen wie die Durchschnittsfamilien aller Haushalte in Deutschland. Allerdings reicht die Gruppe der Selbständigen von Kleingewerbetreibenden mit sehr unterschiedlichen Einkommen bis zu Anwälten und Ärzten mit Spitzeneinkommen. Das Durchschnittseinkommen je Haushaltsmitglied liegt bei 14.320 €. Deutlich weniger hat, wer in der Familie eines Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängers lebt. Dem stehen nur 8.400 € zur Verfügung.
Natürlich kann man stundenlang darüber diskutieren, wann das Einkommen gerecht verteilt ist.
Die Gewerkschaften auf der einen Seite und die Unternehmer auf der anderen Seite verstehen unter gerechter Verteilung, dass sich die funktionale Verteilung zu jeweils ihren Gunsten verändert. Maßstab hierfür ist die Lohnquote und die Gewinnquote.
Die Lohnquote ist definiert als das Verhältnis von Einkommen aus unselbständiger Arbeit zum Volkseinkommen.
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Unter Gewinnquote versteht man den Anteil der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen.
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Die Zahlen der letzten Jahre zeigen die Entwicklung.
Die neunziger Jahre waren für die Arbeitnehmer eine Talfahrt:
Ihr Anteil am gesamten  Volkseinkommen, die Quote der Bruttoarbeitseinkommen, sank von über 82% im Jahr 1993 auf 76% im Jahr 1999. Parallel zu dieser Entwicklung nahm der Anteil der Bruttoarbeitseinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen deutlich zu. Der gesamte Kuchen dessen, was in Deutschland verdient wird, wird also anders verteilt als vor 10 Jahren. Die Lohnquote ist gesunken, obwohl die Abreitnehmer immer produktiver waren. Doch die Reallöhne blieben hinter den Produktionsgewinnen zurück. Dagegen stiegen die Unternehmensgewinne deutlich an. Viele Gewerkschaften kündigen nun ein "Ende der Bescheidenheit " an und fordern deutliche Loherhöhungen. Unternehmensvertreter befürchten jedoch, dass dadurch die Investitionen zurückgehen und Arbeitsplätze verloren gehen. Die Befürchtung, dass durch Ansteigen der Lohnquote viele Arbeitsplätze ins kostengünstigere Ausland verlagert werden könnte ist nicht von der Hand zu weisen und würde der deutschen Wirtschaft erheblich schaden.
Eine wesentliche Forderung der Arbeitnehmervertreter ist daher eine "gerechtere Verteilung zwischen Löhnen und Gewinnen". Sie fordern in einzelnen Tarifverhandlungen, dass der Anteil der Arbeitnehmer am Ertrag der Wirtschaft erhöht wird. Das führt natürlich zu einer höheren Lohn- und einer niedrigeren Gewinnquote. Daneben verlangen die Gewerkschaften:
  • Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Lohnentwicklung
  • Absicherung betrieblicher Sozialleistungen durch Tarifverträge oder Gesetze
  • Sicherung von Urlaubsgeld und 13. Monatsgehalt
  • Erweiterung der staatlichen Sparförderung
  • Vermögensbildung der Arbeitnehmer
Die Unternehmer treten für die Beibehaltung der Gewinnquote ein. Dies ist aus Sicht der Unternehmer auch sinnvoll. Einerseits lässt sich niemand gerne etwas wegnehmen und andererseits bilden die Unternehmensgewinne die Basis für zukünftige, arbeitsplatzschaffende aber auch arbeitsplatzsichernde Investitionen.
Was nun letztendlich eine gerechte, zukunftssichernde Einkommensverteilung ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
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