1.5.3 Sozialprodukt - Maßstab?
Ein steigendes BIP oder BSP wird oft mit Wohlstand gleichgesetzt. Länder, die ein steigendes Sozialprodukt vorweisen können, gelten als reich.
Doch ist das wirklich der Maßstab für Lebensqualität und Wohlstand?
Kritiker behaupten, das BSP misst so ziemlich alles, nur nicht das worauf es im Leben ankommt.
Wenn man nun von "Wirtschaftswachstum" oder kurz von "Wachstum" spricht, ist im Allgemeinen die Zunahme des BIP gemeint, worin dann zugleich ein Anstieg des Wohlstandes oder der Lebensqualität gesehen wird, so dass sich folgende Argumentationskette ergibt:
Bruttoinlandsprodukt  graphicLeistungsfähigkeit der Wirtschaft  graphicWohlstand  graphicLebensqualität  .
Diese Argumentationskette ist allerdings problematisch und umstritten. So wies bereits in den 70er Jahren u.a. Erhard Eppler graphic
auf Unzulänglichkeiten des BSP als Wachstumsindikator hin. Er stellte ihm den Begriff "Lebensqualität" entgegen, da Fragen, die vor allem Umweltgesichtspunkte einschlossen, eine besondere Bedeutung erfahren hatten. Kriterium der Wirtschaftspolitik könne, so Eppler, nicht die Quantität des Wachstums, sondern müsse die Qualität des Wachstums sein, dessen Durchsetzung politische Steuerung erfordere.
Die erste Frage bezieht sich auf quantitative Kritik.
Es werden im BIP Vorgänge nicht erfasst, die sowohl für den Wohlstand als auch für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft wichtig sind. Beispiele für derartige Vorgänge sind:
  • nichtbezahlte Arbeitsleistungen in privaten Haushalten wie Kochen, Putzen und Kindererziehung sowie
  • Aktivitäten der Schattenwirtschaft wie legale Nachbarschaftshilfe und illegale Schwarzarbeit.
Während die quantitative Kritik lediglich die Größenordnung des BIP in Frage stellt, hält die qualitative Kritik (siehe zweite Frage) das BIP als Wohlstandsmaßstab für eine Volkswirtschaft grundsätzlich für bedenklich, weil beispielsweise
  • einige gesamtwirtschaftliche Wertverluste nicht als Minderung des Lebensstandards abgezogen werden, wie Luft- und Wasserverschmutzung , Bodenerosion, Waldschäden oder langfristige Klimaverschlechterungen und
  • die Beseitigung dieser Schäden positiv in das BIP eingehen, obwohl sie lediglich versuchen, einen ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Für den Bereich Umwelt seien hier exemplarisch die Kosten für die künstliche Zufuhr von Sauerstoff in Seen genannt. Derartige Kosten werden als defensive bzw. kompensatorische Kosten bezeichnet.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das BIP kein universaler Wohlstandsindikator ist. Denn eine Erhöhung des BIP bedeutet nicht gleichzeitig auch eine Verbesserung des Wohlstandes der Bevölkerung. Dennoch kann jede Kritik, so Frank, "nur bescheiden sein, denn die statistische Größe wird weltweit benutzt, und nirgends wurde bisher ein besseres Messinstrument für gesamtwirtschaftliche Leistungen gefunden."
Nach einem Vorschlag des Instituts der deutschen Wirtschaftsollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:
  • Gesundheit
  • Bildung
  • Erwerbstätigkeit
  • Einkommen
  • Verbrauch und materieller Lebensstandard
  • physische Umwelt
  • soziale Umwelt
  • politische Mitbestimmung
  • Rechtspflege
Andere Experten schlagen die Größe "wirtschaftlicher Nettowohlstand" (Net economic welfare)vor.
Man geht dabei vom BIP aus und zieht die sozialen Kosten wie Umweltschutz, Verteidigung oder innere Sicherheit ab.
Leistungen, die keinen Marktpreis haben wie Hausarbeit oder Schwarzarbeit zählt man hinzu.
Somit ergäbe sich folgende Formel:
NEW = BIP - soziale Kosten + Leistungen ohne Marktpreis
Problematisch ist allerdings die Messung der einzelnen Größen. Ehrenamtliche Tätigkeit oder Erziehungsleistung lassen sich schwer beziffern. Das gleiche gilt für umwelterhaltende Maßnahmen.